Merkblatt: Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen

In diesem Forum kann der Austausch ĂĽber Epilepsie sowie die Behandlung der verschiedenen Epilepsie-Formen und den jeweiligen Medikamenten besprochen werden.

Merkblatt: Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen

Beitragvon Reiner » 7/2/2010, 17:36

Merkblatt: Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen


Sie haben diese kleine Anleitung erhalten, weil ein Angehöriger, Freund oder Bekannter unter Epilepsie leidet. Trotz der mittlerweile sehr guten Behandlungsmöglichkeiten ist die betreffende Person nicht 100-prozentig vor weiteren Attacken geschützt. Wie Sie sich beim Auftreten eines „großen Anfalls“ (Grand mal-Anfall) verhalten können, erläutern die folgenden Hinweise.

Ruhe bewahren

Große epileptische Anfälle wirken für Außenstehende oft sehr dramatisch und beängstigend, obwohl sie selten lebensbedrohlich sind (Ausnahme: „Status epilepticus“). Sie helfen dem Betroffenen, anderen Anwesenden und sich selbst am meisten, wenn Sie Ruhe bewahren und ausstrahlen. Schicken Sie deshalb Schaulustige ruhig und entschieden weg. Weisen Sie gegebenenfalls darauf hin, dass es sich „nur“ um einen Anfall handelt und dass Sie sich damit auskennen. Blicken Sie auf die Uhr, um die Dauer des Anfalls beurteilen zu können.
Den typischen Anfallsverlauf kennen

Grand mal-Anfälle folgen einem Schema. Wenn Sie dieses kennen, werden Sie sich sicherer fühlen und weniger Grund zur Sorge haben: Meist wie eine „Blitz aus heiterem Himmel“ verliert der Patient plötzlich das Bewusstsein, wobei er manchmal vorher einen Schrei ausstößt oder auch Urin verliert (Der Schrei ist kein Ausdruck von Schmerz, sondern Folge herausgepresster Luft!). Durch den Bewusstseinsverlust kann es zum Sturz und leider auch zu Verletzungen kommen. Während des Anfalls ist die gesamte Muskulatur angespannt. Da auch die Atemmuskulatur verkrampft, kann es vorübergehend zu einem Atemstillstand kommen (mit einer Blauverfärbung der Haut). Nach spätestens 30 Sekunden setzt die Atmung wieder ein. Es besteht keine Erstickungsgefahr, also keinerlei Notwendigkeit zur Wiederbelegung. Es dauert dann noch einige Minuten, bis der Patient zu sich kommt. Er muss sich orientieren und ist in der Regel müde und schlafbedürftig.

Gefahren und Verletzungen vorbeugen

Grand mal-Anfälle enden in aller Regel nach einigen Minuten von selbst. Sie sind kein Notfall, sondern ein Symptom und erfordern keine spezielle ärztliche Behandlung. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, den Kranken vor zusätzlichen (!) Gefahren und Verletzungen zu schützen. Schaffen Sie eine Sicherheitszone (keine spitzen oder kantigen Gegenstände in Reichweite!). Platzieren Sie den Kranken um, wenn er sich in einem Gefahrenbereich aufhält (Eisenbahnschienen, befahrene Straße, Schwimmbecken, Feuer, heißer Herd, Treppenstufen). Verhindern Sie vor allem Verletzungen, die durch Sturz oder Zuckungen des Patienten drohen. Fassen Sie zum Transportieren den Kranken am Oberkörper und nicht an den Armen an (Gefahr der Schulterausrenkung!). Versuchen Sie auf keinen Fall, den Anfall zu „durchbrechen“ (z. B. durch Schütteln, Anschreien, Riechstoffe).

Sicher lagern

Lagern Sie den Patienten frei auf dem Boden und schränken Sie seine Bewegungsfreiheit nicht ein. Schützen Sie den Kopf durch eine weiche Unterlage (Decke, Kissen, Jacke, Tasche, Mantel) oder halten Sie ihn leicht in Ihren Händen. Öffnen Sie beengende Kleidungsstücke (Krawatte, Hemdkragen), um die Atmung zu erleichtern. Sobald die Muskelverspannungen nachgelassen haben, kann eine stabile Seitenlage Atmungsprobleme verhindern (z. B. Verschlucken von Speichel oder Erbrochenem).

Mund schonen

Bei einem Grand mal-Anfall besteht die Gefahr, dass sich der Betroffene in die Lippen beißt. Ärzte und medizinisches Fachpersonal verwenden in solchen Fällen mitunter spezielle „Gummikeile“. Als Laie sollten Sie auf solche Maßnahmen verzichten, also dem Patienten nicht Gegenstände „zum Schutz“ zwischen die Lippen schieben (z. B. einen Schlüsselbund oder Löffel). Der dadurch entstehende Schaden an Zähnen, Zunge oder Kiefergelenk ist oft größer als eine selbst zugefügte Bisswunde. Nicht zuletzt riskieren Sie, gebissen zu werden, wenn Sie an Mund und Zähnen des Kranken manipulieren.

Ablauf beobachten und dokumentieren

Nach einem Anfall kann sich der Patient nicht an Einzelheiten erinnern. Deshalb ist es wichtig, dass sie diese möglichst genau registrieren und dokumentieren. Ihre Beobachtungen können dem behandelnden Arzt wertvolle Hinweise liefern, Diagnostik, Therapie und Prophylaxe des Leidens zu verbessern.


Beistand gewähren

Stehen Sie dem Patienten auch nach dem Anfall ausreichend lange bei. Sprechen Sie ihn beruhigend an, wenn er zu sich kommt. Zeigen Sie ihm, dass Sie ihm solange helfen werden, wie er Sie benötigt. Manchmal kann es bis zu einer halben Stunde dauern, bis ein Anfallspatient wieder voll orientiert ist und entsprechende Fragen beantworten kann. Ermöglichen Sie ihm eine ungestörte Erholungsphase. Begleiten Sie den Kranken eventuell nach Hause oder rufen Sie einen anderen Helfer bzw. Familienangehörigen an, sofern der Patient dies möchte. Schicken Sie auch in dieser Phase Schaulustige weg, da deren Anwesenheit für den (nicht mehr bewusstlosen!) Kranken meist unangenehm ist. Überlassen Sie dem Patienten gegebenenfalls Ihre Telefonnummer. Schildern Sie ihm auf Wunsch das zurückliegende Geschehen, damit er seinem Arzt davon berichten kann.

WĂĽnsche des Kranken respektieren

Setzen Sie sich nicht über die Wünsche des Patienten hinweg. Dieser kennt sich am besten mit seinem Leiden aus und kann einschätzen, welche Hilfen er in einer solchen Situation benötigt. In der Regel ist seine Epilepsie bekannt und behandelt.


Bei Bedarf Notarzt verständigen

Rufen Sie einen Arzt, wenn der Krampf länger als 5 Minuten anhält, es innerhalb einer Stunde zu mehreren Anfällen kommt oder es nach Erschlaffung der Muskulatur länger als 5 Minuten dauert, bis der Kranke wieder zu sich kommt. Auch bei blutenden Wunden und anderen auffälligen Verletzungen sollten Sie umgehend einen Arzt oder Rettungssanitäter verständigen.

Quelle:
http://www.dr-mueck.de/HM_Selbsthilfe/G ... aellen.htm

Reiner und Karin mit Annika 05/00 ICP, Epilepsie, nur 10 Worte sprechend, Rollikind und dem grossen Bruder Felix 02/96

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Re: Merkblatt: Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen

Beitragvon Mone80 » 7/2/2010, 17:52

Hallo Reiner, toll -werde es gleich ausdrucken. Trotz Fachmensch bringen mich solche Situationen (schwere Anfälle) immer wieder aus der Kontrolle, dabei ist das wichtigste Ruhe bewahren!!!

LG Simone
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Re: Merkblatt: Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen

Beitragvon Diana » 7/2/2010, 21:13

HAllo zusammen,

naja, ist fĂĽr Leute, die gar keine Ahnung haben, ein ganz netter Leitfaden, der ein wenig Orientierung verschafft, aber toll finde ich etwas anderes. Aber aus fachlicher Sicht, gibt es doch einige Dinge, die ich sehr fragwĂĽrdig finde.
Die Sache mit dem Gummikeil machen beispielsweise ausnahmslos nur noch Ärzte, die abgesehen von den theoretischen Elementen in ihrem Studium noch nie etwas mit Epilepsie zu tun hatte - zum Glück, denn die damit verbundene Verletzungsgefahr ist um ein vielfaches größer als das, was an Verletzungen während des Anfalls passieren kann.
Auch wĂĽrde kein Fachmensch dazu raten, Personen im groĂźen Anfall zu transportieren, (abgesehen das Beispiel mit der Eisenbahnschiene vielleicht)sondern die Gefahrenstelle entsprechend abzusichern, weil das Verletzungsrisiko dabei viel zu groĂź ist. Abgesehen davon dass das Risiko eigerner Verletzungen bei einer solchen Aktion insbesondere fĂĽr den RĂĽcken viel zu hoch ist.
Und zum anderen ist es mir zu einseitig auf Grand mal Anfälle festgelegt, aber im Vergleich zu allen anfallenden Anfällen ist der Anteil der Grand-mal Anfälle verschwindend gering.
Und die Sache mit der entsprechenden Begleitung nach dem Anfall finde ich auch sehr fragwürdig, da dies nach Studien, wie sie beispielsweise im RAhmen der Pepe Betreuung laufen, den Vedürfnissen der Betroffenen gänzlich widerspricht. Wobei man da natürlich schon auch Unterschiede machen muss, wie hilfebedürftig der Betroffene ohne Anfallsgeschehen ist.

Liebe GrĂĽĂźe, Diana
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Re: Merkblatt: Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen

Beitragvon Mone80 » 7/2/2010, 21:18

Hallo Diana, hast Du den so etwas ähnliches - nur mit besseren Inhalten?

LG Mone80 :grin:
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Re: Merkblatt: Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen

Beitragvon Diana » 8/2/2010, 13:38

HAllo Mone,

leider nicht. Und schon gar nicht online. Aber das ärgert mich immer und immer wieder. Wir haben in diversen Arbeitsgruppen, im Elternrat etc. immer wieder schon einmal darüber gesprochen das es auf diesem Sektor so wenig Brauchbares gibt. Und von verschiedenen Gremien wurde immer wieder versprochen, da tätig zu werden - leider bisher ohne vorzeigbares Ergebnis. Und da wo es mich dann betrifft, bin ich eben häufig in der Lage durch entsprechende praktische Anleitung in der Praxis für mehr Handlungssicherheit zu sorgen. Leider sind wir, da wir bei uns in der Einrichtung keinen Mediziner haben, nicht berechtigt, solche Leitfäden zu verfassen.
Aber mich hat das gestern mal wieder so geärgert, dass Menschen, die aufgrund ihrer Profession dazu befähigt sein sollten oder zumindest suggerieren, das sie es wären zum Teil einen solchen Unsinn oder HAlbwissen verbreiten, dass ich heute morgen schon aktiv geworden bin. Ich habe schon mit betreffenden Kollegen im Klinikbereich gesprochen, dass da ja noch etwas aufsteht und habe auch bei diversen Bekannten nachgehakt, die denn über die PEPE-Begleitung zugesagt haben, ein solches Projekt in Angriff zu nehmen, dass es mal was gibt, was in allen Bereichen brauchbar ist. DAs erste Gespräch dieser Art habe ich heute früh bereits um halb acht geführt, als ich LAsse in den Kindergarten gebracht habe. MAl schauen, ob jetzt was in Gang kommt. Werde auf jeden FAll am BAll bleiben.

Liebe GrĂĽĂźe, Diana
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Re: Merkblatt: Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen

Beitragvon Mone80 » 8/2/2010, 18:19

Hallo Diana , das hört sich doch gut.

Zum GlĂĽck habe ich erst einmal einen schweren Anfall bei einem Kind mit erlebt und zum GlĂĽck war ich nicht alleine.

Aber man weiß ja nie. Ich habe sehr viele Anfallskinder und mein Therapieraum ist in der Schule recht abseits -da hört mich keiner :motz: . Dies habe ich schon öfters zum Thema gemacht -wurde leider nie ernst genommen, d.h. wenn mal etwas passieren sollte :eek: . Das verunsichert einen noch mehr - trotz Fachfrau :oops: .

LG
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